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 "Culture Shock" - Blog

2022-03-20

50 km zu Fuß - An die Grenzen und darüber hinaus

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Samstag, 19. März 2022 - 15:30 Uhr:
40 von 50 Kilometern gelaufen. Aber weder das zugehörige Schild am Wegesrand noch die vierte und damit letzte Verpflegungsstation des MegaMarschs sind zu sehen. Die Füße brennen wie Hulle. Wie wund sie tatsächlich sind, will ich gar nicht wissen. In der rechten Kniekehle zieht’s, als hätte mich ein Pferd getreten. Mein Energielevel sinkt schneller als der Akku eines Smartphones beim Netflix schauen. Das Ziel scheint unerreichbar. Warum genau tue mich mir diesen Mist eigentlich freiwillig an?

Einige Monate zuvor…
In fröhlicher Online-Stammtischrunde im Spätsommer 2021 entstand diese (Schnaps)Idee. Ich berichtete von dem Schrittzähler, den ich mir für ein dreimonatiges Ernährungs-Coaching zugelegt hatte. Bewegung gehörte nämlich mit zum Programm. Wunderlicher Weise fand ich (Superheldenname: Couch-Potato) großen Gefallen an den täglichen Walking-Runden. Stammtisch-Buddy Clemens erklärte mir sogleich, dass ich ein größeres Ziel bräuchte, auf das ich hinarbeiten kann. So kam dann eins zum anderen und bald darauf war die Anmeldung zum MegaMarsch Mönchengladbach raus. Für uns beide. Mitgehangen, mitgefangen!

50 km innerhalb von 12 Stunden zu wandern, klang anstrengend, aber machbar. Schaffen wir vielleicht sogar in 10 Stunden. Und außerdem lag der Termin noch so weit in der Zukunft, dass sich der Gedanke an die tatsächliche Durchführung gut verdrängen ließ. Aber dann kam er doch, dieser schicksalhaft 19. März 2022…

Clemens und ich hatten unabhängig von einander trainiert. Er ging regelmäßig auf längere Jogging- und Fahrrad-Runden in Nordrhein-Westfalen. Ich walkte täglich zwischen 7 und 15 km rund um den Weinberg vor meiner Haustür in Baden-Württemberg. Besser wird’s nicht, mussten wir uns eingestehen. Und wie früher vor Prüfungen hieß es nun „Mut zur Lücke“. Ob das gutgeht?

Samstag, 19. März 2022:
Um kurz vor 8 Uhr geht es dann bei Sonnenschein und Temperaturen knapp über 0 Grad (meine Lieblingsbedingungen) durch den Startbogen direkt am Borussia-Park. Schnell ein Selfie schießen, das im Gehen noch flink in die Insta-Story gepostet wird. So viel Zeit muss sein!

Die Stimmung ist gut, die Schar der Mitstreiter bunt gemischt. Vom Normalo über den Hardcore-Gladbach-Fan bis zum Iron Man- Anwärter scheint in allen Altersklassen alles vertreten zu sein. Auch der ein oder andere Hund läuft mit. Das Ganze ist top organisiert, regelmäßig fahren Sanitäter auf Motorrädern das Teilnehmerfeld ab. Wir legen gut los, überholen das ein oder andere Grüppchen, werden aber auch selbst regelmäßig von erfahrenen MegaMarschlern überholt. Es dauert nicht lange bis die Fitnessuhr die ersten 10.000 Schritte meldet. Auch die erste Verpflegungsstation (VPS) taucht nach 10 km überraschend schnell auf. Kurze Bio-Pause, ein Schokobrötchen und Gummibären für später in den Rucksack. Lange halten wir uns hier nicht auf.

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Am Schloss Wickrath tappen wir in die ersten Fotofallen. Die von Veranstalter engagierten Sportfotografen liegen wir Paparazzi in den Büschen. Flink weiter zum Schloss Rheydt, wo nach 20 km die VPS 2 auf uns wartet. Hier sogar mit freilaufenden Pfauen. Aber auch hier bleiben wir nicht lange. Bis zur Halbzeit bei 25 km läuft alles ganz locker. Kurz zünden wir den Turbo, da es auf einigen Wegstücken recht eng ist und für unseren Geschmack zu viel Gedränge um uns herrscht. Nun merke ich, dass die Füße zu brennen beginnen und ich mit dem Tempo etwas haushalten sollte. Clemens dagegen wirkt immer noch frisch wie Salat. Die VPS 3 taucht schon an KM 28 an der Trabrennbahn Mönchengladbach auf. Ich setze mich ein paar Minuten, vertilge ein paar Gummibärchen und wappne mich für den nächsten Stint.

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Und der wird hart, verdammt hart! Hier treffen wir auf die besonders hartgesottenen Teilnehmer, die aus der späten Startgruppe das Feld von hinten aufrollen und die die Strecken z.T. in sieben Stunden ablaufen. Wir dagegen versuchen unser Tempo einigermaßen aufrecht zu halten, trotz brennender Füße. Jetzt bloß nicht mehr die Zehen bewegen! Ich, Quasselstrippe vom Dienst, werde zunehmend ruhiger, bin teilweise wie im Tunnel. Clemens reißt mich regelmäßig wieder raus. Wie dankbar ich bin, dass er das mitmacht! Die Solostarter haben meinen größten Respekt, ich weiß nicht, ob ich es alleine schaffen würde. Kurz vor KM 35 gibt’s ein paar Treppen, was super ist, denn so kommen mal wieder ein paar andere Muskelgruppen ins Spiel. Die anschließenden Fotofallen und die Stimmungsmusik der Fotografen zaubern mir wieder ein Lächeln ins Gesicht. Wenn auch nur kurz.

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Während der nächsten Kilometer trägt mich eher der Wille als irgendwas anderes. Das Schild, dass KM 40 markiert, will einfach nicht kommen. Gefühlt müsste es schon längst soweit sein. Ich habe keinen Schimmer, wie ich den Rest der Strecke schaffen soll. „Clemens, es ist Zeit für einen Baumarkt-Spruch“, sage ich. Unser vereinbartes Signal für mentale Tiefpunkte. „Chuck Norries kriegt sogar 20% auf Tiefnahrung.“ kommt es prompt zurück. Ich lache und schaffe es irgendwie doch bis zur VPS 4, die laut App auf KM 42,5 liegt. Marathon-Distanz, krass!

Wir stärken uns mit Gewürzgurken, Erdnüssen, Cola und den obligatorischen Gummibärchen. Diesmal verweilen wir etwas länger, strecken die Füße aus, entspannen die Beinmuskeln. Die nächsten Kilometer laufen dann auch wieder vergleichsweise gut. Der Energiehaushalt sieht wieder deutlich besser aus, die Motivation ist zurück. Eine freundliche Anwohnerin will wissen, wie’s läuft und bietet an, unsere Wasserflaschen aufzufüllen. Ist zwar nicht nötig, aber wie lieb ist das denn? Auch Clemens befindet sich nun auf Neuland, denn mehr als Marathon-Distanz ist auch er noch nicht am Stück gelaufen.

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Bei KM 45 behauptet das Schild, schlimmer könnte es nun nicht mehr werden. Bei mir stimmt das allerdings nicht. Der Borussia-Park war schon kurz in Sicht, aber die Strecke führt wieder davon weg. Mental zieht mich das ordentlich runter. Ich merke jeden Stein auf dem Weg, als wären meine Schuhsohlen nicht mehr existent. Der Wind pfeift jetzt in ordentlichen Böen, ich ziehe die Ohren wie eine Schildkröte in den Kragen meines pinken Windbreakers. Die letzten zwei Kilometer dehnen sich scheinbar endlos. Von der Hüfte abwärts tut alles nur noch weh. Das Stadion zu umrunden, erscheint mir unmöglich.

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Aber irgendwo steckt noch eine letzte kleine Reserve und es geht doch. Um kurz vor 18 Uhr laufen wir durch den Zielbogen und nehmen unsere Finisher-Medaillen in Empfang. Was für ein Moment! Die Schmerzen sind erstmal vergessen, wir klatschen ab und stoßen mit einem Radler auf diese Mega-Leistung an. Un-fucking-fassbar! Sogar unsere erhoffte Zeit von 10 Stunden haben wir geschafft. Glücklich staksen wir zum Straßenrand und sind sau-froh, dass wir jetzt mit dem Auto abgeholt werden.

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Der Abend klingt mit alkoholfreiem Bier, ordentlich Pizza und nur noch den allernötigsten Bewegungen aus. Wir sind mächtig platt, aber auch mächtig stolz. Auch wenn’s noch weh tut, scheint eine Wiederholung nicht ausgeschlossen.

Love, Ina 💕
Your partner in crime in matters of kitchen & culture

PS: Durch das Ernährungs-Coaching bei der einmaligen Birgit Barilits hat sich mein Bewegungs-Level ganz easy verändert, es brauchte nur den richtigen Impuls. Den MegaMarsch hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Daher Special Thanks an Birgit!

Admin - 21:09:40 | Kommentar hinzufügen

 



 
 
 
 
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